Unseriöse Machenschaften des Huber Verlag // Initiative Mittelstand // Innovationspreis-IT

Jens Kuerschner
9 min readAug 26, 2019

--

Wie es beginnt: Der Wettbewerb

Jedes Jahr schreibt der Huber Verlag im Rahmen des Programms „Initiative Mittelstand“ den Innovationspreis-IT aus. Durch einen guten Freund haben wir hiervon kurz vor Ende der offiziellen Deadline erfahren und dachten uns „was soll’s“. Das Ganze wirkte seriös, hat eine lange Tradition, klingt gut. Also haben wir Placedise kurzerhand angemeldet. Natürlich war uns zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass man versuchen würde uns allerlei Zusatzleistungen zu verkaufen — schließlich bekommt man bereits bei der Anmeldung die Möglichkeit einen „Innovations-Push“ zu erwerben. Was dies bedeutet, wurde uns in den nachfolgenden Wochen noch klarer.

Wie es weiter ging: Die E-Mail-Lawine

In den darauf folgenden Wochen gab es eine regelrechte Lawine an Newslettern zu besagtem Innovationspreis. Hierbei wurden natürlich fleißig spannende Projekte aus dem Mittelstand präsentiert — aha — das passiert also durch den Innovations-Push. Ich muss zugeben, dass ich hierdurch durchaus auf spannende Unternehmen aufmerksam geworden bin. Aber wie das mit diesen Dingen ist — ab der zweiten E-Mail schiebt man das Ganze ohne weitere Prüfung in den Papierkorb. Dies ist natürlich schade für die Unternehmen, die es nicht in die ersten beiden Mails geschafft haben. Die 199 EUR (pro Quartal natürlich) hätten sie sich sparen können. Aber gut — zumindest können sie ja noch das Siegel nutzen, welches ihnen bescheinigt, dass sie sich beworben haben — über dessen Wert kann man sich sicherlich streiten.

Natürlich wurden wir auch nach der Anmeldung mehrfach dazu angehalten, doch auch diesen tollen Innovations-Push zu nutzen. Wir haben dankend abgelehnt.

Die Entscheidung

Leider haben wir keinen der begehrten Preise gewonnen. Vielleicht lag es an dem fehlenden Innovations-Push — wer weiß. Ein Schelm wer dabei Böses denkt. In jedem Fall waren wir darüber jetzt auch nicht todunglücklich.

Interessant war es aber trotzdem, die Verkaufstaktiken des Huber Verlags zu beobachten. So wurde uns natürlich nicht direkt mitgeteilt, dass wir nicht gewonnen hatten. Stattdessen stand da „Herzlichen Glückwunsch“. Was passiert hier denn? Mein Bauchgefühl sagt nein, aber scheinbar doch? Nachdem ich die E-Mail auf dem PC genauer gelesen hatte, wurde klar was hier passiert. Wir hatten zwar nicht einen der ersten Plätze gewonnen, aber wurden natürlich in die Best-Of-Kategorie gewählt — wofür man erneut ein tolles, super aussagekräftiges Siegel erhält. Klingt eher nach Trostpreis? Ist es auch. Gut — die E-Mail sagt, dass diese Best-Of-Geschichte für uns „bereit liegt“. Braucht man nicht. Wollen wir nicht. E-Mail in den Papierkorb.

Und damit dachten wir eigentlich auch, dass die Geschichte zu Ende sei. Doch falsch gedacht! Das Umsatzziel des Huber Verlags war noch lange nicht erreicht.

Der Nachgang: Es wird schmutzig

Nachdem sich die wahnsinnige Aufregung des Wettbewerbs gelegt hatte, erhielt ich heute einen Anruf. Nachdem ich ihn verpasst hatte rief ich zurück. Sofort wurde abgenommen. Eine nette Dame erklärte mir, dass wir unter den besten 20 in unserer Kategorie „Business Intelligence“ gelandet wären — von über 5.000 Bewerbungen (Zahl kann abweichen — hier ist meine Erinnerung nicht mehr zu 100% korrekt)! Ich sagte „klasse“. Sie sagte „Wo ist die Begeisterung? Das ist doch eine spitzen Leistung!“. Und so erzählte sie mir, dass wir damit jetzt auf der Bestenliste auftauchen würden und uns der Spaß nur lausige 99 EUR kosten würde…

Moment.

Ja, genau. Man muss dafür zahlen, um auf der Bestenliste genannt zu werden. Das gibt dem Wort „Bestenliste“ natürlich eine ganz neue Bedeutung. Da wir auf diese Liste nun nicht mehr vertreten sind, weist die Bestenliste für den Innovationspreis-IT also eigentlich gar nicht mehr die Besten aus…

Wie dem auch sei. Ich meinte, dass das für uns eigentlich nicht interessant klingt und ob man dieses Angebot ggf. auch in der Zukunft nutzen könnte. Dies geht natürlich nicht, aber sie würde mir gerne einfach einmal Informationsmaterial zusenden. Ich teilte also mit, dass sie mir diese Infomaterialien gerne zusenden könne — ich würde mich dann melden, sollten wir wider Erwarten doch Interesse haben. Vereinbart und aufgelegt. Ich recherchierte und fand heraus, dass das BEST OF-Förderprogramm eine einzige Farce ist. Man bekommt scheinbar nicht einmal mitgeteilt auf welchem Platz man sich befindet. Dies liegt aber wohl vor allem daran, dass es gar kein richtiges Ranking und damit Plätze gibt. Hierzu später mehr.

Wenige Minuten später erhielt ich eine E-Mail mit dem Betreff „Ihre Auftragsbestätigung“. Hä? Ich las weiter…

„Hiermit bestätigen wir Ihnen die verbindliche Aufnahme in das BEST OF-Förderprogramm. Ab sofort stehen Ihnen die exklusiven Online-Marketing-Leistungen der Initiative Mittelstand für 12 Monate zur Verfügung.“

Aha. Äh. Wie kam das denn? Was stand da sonst noch so?

„Für das BEST OF-Förderprogramm erheben wir einen Beitrag von 299 EUR/Quartal“

Also 1196 Euro. „W**** t** f***“. An alle, die sich jetzt denken „halb so schlimm, kann man ja widerrufen“ sei gesagt, dass dies im B2B-Geschäft nicht direkt möglich ist. Wer einen Vertrag schließt — wie auch immer — ist in der Regel daran gebunden. Die Frage war nur: Habe ich einen Vertrag geschlossen? Also durchstöberte ich sämtliche Unterlagen, gelöschte E-Mails, las AGB und vieles mehr. Nichts. Wie kann das sein. Ist der Huber Verlag wirklich so dreist, mein Telefonat als Vertragsschluss zu werten? Abgesehen davon, dass das auch weit entfernt von den 99 EUR aus dem Telefonat liegt. Vielleicht nur ein Versehen?

Ich rief einen befreundeten Unternehmer an, welcher ebenfalls an dem Wettbewerb teilgenommen hatte. Er teilte mir mit, dass er eben den gleichen Anruf erhalten hatte, aber quasi gleich wieder aufgelegt habe. Eine E-Mail gab es nicht. Ok — hatte ich doch etwas Falsches gesagt — eigentlich nicht — so schlecht ist mein Gedächtnis auch nicht und wie man im Geschäftsverkehr das Richtige sagt weiß ich eigentlich auch im Schlaf. 2 Minuten später dann der Anruf von meinem Freund — er hatte nun also auch besagte E-Mail bekommen. Genauso wie zahlreiche andere uns bekannte Teilnehmer. Also kein Versehen, sondern Betrug mit System — sofern man es Betrug nennen kann — unseriös ist es allemal.

Also haben wir zuallererst der E-Mail widersprochen, allem anderen widersprochen und angerufen… 1x … 2x … 10x. Wenn man nicht den Anrufbeantworter dran hatte, klingelte es 2 Minuten und wurde dann aus der Leitung geworfen. Komisch. Kurz vorher war das Durchkommen gar kein Problem. Dieses Spielchen spielten wir also noch weitere 4 Stunden. Schließlich kam ich auf die Idee die Nummer der Zentrale anzurufen. Dort wurde ich verbunden und hatte nach „nur“ 4 Minuten Warteschleife einen Sales-Agent am anderen Ende der Leitung. Freundlich erklärte ich, dass ich etwas verwirrt war, weil ich diese „Auftragsbestätigung“ nicht zuordnen kann.

Die nette Dame erklärte mir, dass sie leider nicht wisse, was ich mit der Kollegin vereinbart hätte (sicherlich gelogen, nachdem dieses Vorgehen Standard zu sein scheint).
Ich erklärte, dass ich lediglich meine Einwilligung gegeben hatte, dass man mir Informationsmaterial zusendet, wir aber in keiner erdenklichen Weise einen Vertrag geschlossen hätten. Wie das sein kann?
Da wurde mir (und später auch anderen Unternehmern) doch allen Ernstes erklärt, dass ich verstehen müsse, dass es einfacher sei, Unternehmen erst einmal in das Programm (und damit den Vertrag) aufzunehmen, als darauf zu warten, dass sie dazu einwilligen. Hatte ich das richtig gehört? Hatte ich! Natürlich ist das einfacher, aber das geht einfach nicht. Das ist unseriös, betrügerisch, hinterhältig, einfach mies.

Ich beantragte, dass man uns bitte wieder aus diesem Programm oder diesem Vertrag, der nie einer war, herausnehmen sollte.

Sie meinte, dass das möglich wäre, aber wir dann natürlich von der Bestenliste fliegen würden. Abgesehen davon, dass das wie erwähnt auch nicht wirklich seriös ist (was ist das für ein Wettbewerb?!), war mir das relativ egal. Eine Kündigung sei aber nur schriftlich möglich. Wieso das? In der E-Mail steht „Bitte kontaktieren Sie uns telefonisch bis zum 31.03.2015, falls Gründe gegen die Bekanntmachung Ihrer ausgezeichneten Lösung sprechen sollten.“ Ja schon, aber ich müsse die Kündigung mindestens per E-Mail schicken.

„Ok, dann schreibe ich jetzt die E-Mail und sie bleiben dran um mir das zu bestätigen.“

„Ach, da sehe ich gerade, dass Sie ja schon eine E-Mail geschrieben haben“

„Also genügt das?“

„Das kann ich nicht sagen. Dass muss von der zuständigen Abteilung erst noch geprüft werden“

Wirklich? Eine Abteilung muss prüfen, ob meine Kündigung für einen Vertrag, der nie bestand, weil er mir rechtswidrig angedichtet worden ist, rechtens ist?
Wie dem auch sei. Ich legte auf. 30 Minuten später erhielt ich eine Bestätigung meiner Kündigung. Interessant ist, dass besagte andere Teilnehmer auch erst auf expliziten Anruf eine Bestätigung erhalten haben.

Somit ist von meiner Seite aus aber erst einmal wieder alles in Ordnung. Nichtsdestotrotz habe ich beschlossen diesen Beitrag zu schreiben, um das Treiben des Huber Verlags um die Initiative Mittelstand und den Innovationspreis-IT offen zu legen. Ich habe bisher schon viele schräge Dinge und üble Geschäftemacherei erlebt. Bisher dachte ich, dass es in der Fitnessbranche übel zur Sache geht — aber diese Geschichte mit ihren vielen Facetten hat mich dann doch etwas sprachlos gemacht. Von einer weiteren Teilnahme bei diesem Wettbewerb werden wir allerdings sicherlich in Zukunft absehen. Wer nicht mehrere tausend Euro für semi-sinnvolle PR-Späßchen ausgeben will, sollte ebenfalls dringend die Finger davon lassen. Wen diese Summen allerdings nicht wirklich jucken, kann darüber nachdenken. Gewinnt man den gesponsorten Preis, ist das sicherlich einiges wert.

[Update: 30. März 2015]

Der Vollständigkeit halber noch ein kleines Update.
Nach der Bestätigung meines Widerspruchs bekam ich noch zwei Anrufe von einem Herrn X. Aufgrund der „tollen“ Erfahrungen der vorhergehenden Anrufe ließ ich diese beide Male auf den AB laufen. Da dort nur die bekannten Sales-Sprüche — man gratuliere uns, weil wir zu den Besten gehören — abgespult wurden, schrieb ich eine weitere E-Mail, dass man mir Nachrichten (sofern keine Verkaufsversuche) bitte per E-Mail zusenden soll.
Nun erhielt ich eine Antwort, dass die Anrufe von einer Frau Y waren (äh, nein — ich empfehle hier ein besseres Tracking der Sales-Maßnahmen im CRM) und sie mir gerne die Leistungen des Förderpakets vorstellen möchte.

Hatten wir das nicht schon einmal?

Nun weiß ich ja auch, wie das Geschäft läuft und bin entsprechend nachsichtig. Im Vertrieb gilt die Regel, dass man ein „Nein“ nicht akzeptieren soll. Von daher einzig und allein auf diesen Punkt bezogen: „Gut gemacht“.
ABER: Hätte man die vergangene Kommunikation vorher vielleicht einmal kurz überflogen, hätte man vielleicht festgestellt, dass das in diesem Fall nur weiteres Öl ist, welches man ins Feuer gießt!

Dieser Blog lebt ja auch ein wenig davon, dass ich (meine mal mehr mal weniger klugen) Tipps veröffentliche. Von daher ein Tipp an das Sales-Team des Huber Verlags:
Wenn der Kunde (Lead) ausdrücklich und mehrfach widersprochen hat, auch intern schon angekommen ist, dass es hier einen tendenziell kritischen Blogbeitrag gibt (immerhin wurde ein befreundetes Unternehmen bei einem Telefonat darauf angesprochen), ist es äußerst kontraproduktiv einfach Schema X weiterzufahren. Stattdessen sollte man sich entschuldigen, sich für das bisherige Feedback bedanken, ankündigen, welche Lehren man daraus gezogen hat und ggf. sogar eine Entschädigung (in welcher Art auch immer) in Aussicht stellen — also eine Art Krisenmanagement, wie in einem etwas älteren Beitrag beschrieben (Erfolgreiche Krisenkommunikation: PR 101). Angenommen es wäre noch nicht so weit, wie in meinem Fall, sollte zumindest ein neues Angebot unterbreitet werden. Dieses muss gar nicht de facto neu sein. Es genügt einfach einen neuen Aufhänger zu nutzen, um erneut ins Gespräch zu kommen. Das wäre dann das kleine Sales 1×1.
In jedem Fall sollten natürlich Fehler, wie unterschiedliche Ansprechpartner, die sich auch noch als einer ausgeben, dringend vermieden werden. Dann klappt das auch mit dem Abschlussbonus.

Ich hoffe, dass das Thema damit gegessen ist und würde mich auch freuen, wenn die besagten Damen und Herren jetzt nicht plötzlich hier genannte Tipps bei mir ausprobieren wollen ;-) .

[Update: 6. Mai 2015]

Mal wieder eine kleine Aktualisierung. Zwischenzeitlich gab es eine böse, aber auch recht einfache DoS-Attacke auf genau diesen Beitrag. Das Vorgehen der Hacker deutet stark darauf hin, dass gezielt dieser Beitrag attackiert werden sollte. Fragt sich nur, wer daran Interesse hat. Allerdings möchte ich hier nichts unterstellen.

Da sich das Thema hier, auf Facebook, Twitter und Co allerdings großer Beliebtheit erfreut, möchte ich weitere Inhalte liefern, die meine Ausführungen untermauern. Konkret geht es darum, dass der Huber Verlag für Neue Medien GmbH dieses (sein einziges wirkliches) Geschäftsmodell nun schon seit sehr sehr vielen Jahren erfolgreich durchsetzen und Unternehmen damit über den Tisch ziehen konnte. Hierzu sei auf einen Blogbeitrag von Thomas Kilian von 2007 (siehe hier) verwiesen. Auch 2012 gab es größere Diskussionen. Diese kann man (noch) auf XING in der offiziellen Gruppe des Wettbewerbs nachlesen. Für den Fall, dass jemand auf die Idee kommt die Diskussion zu löschen, habe ich sie in eine pdf-Datei gepackt (hier zu sehen). Somit hat sich über die Jahre also nicht viel geändert. Umso wichtiger ist es sicherlich, dass du Anderen hiervon erzählst, damit das Leiden mit dem Innovationspreis-IT 2016 nicht in eine neue Runde geht!

Btw. Für diejenigen, die es interessiert: Der Huber Verlag ist eine Tochter der Kölmel Management Group und ein kleines Familienunternehmen.

--

--

Jens Kuerschner

Tech Founder, Leader, End-to-End Product/Program Manager, Full-Stack Developer, Marketing and Digitalization expert. 🚀 https://jenskuerschner.de